Ein Beitrag von Fola Dada
Zunächst ein kleines Vorwort: Der Vagusnerv und unser Gespür für uns selbst und andere – mit diesem Impulsbeitrag regte Fola Dada auf unserem letzten QuinteSentio-Netzwerktreffen unseren kollegialen Austausch an. Besonders interessant war für uns, von ihrer persönlichen Geschichte zu erfahren und wie Fola durch ihre eigene Betroffenheit von körperlichen Symptomen überhaupt erst den Vagusnerv, die Polyvagaltheorie und schlussendlich hilfreiche Übungen entdeckte. Dies nach langer Suche, die endlich Entspannung und Hilfe brachte. Das hat uns Zuhörer sehr beeindruckt. Und überzeugt!
Liebe Fola, hab ganz herzlichen Dank für das Teilen Deiner Geschichte, Deiner Suche und Erlebnisse.
Und so freuen wir uns, einen offenen Workshop für alle Interessierte mit Fola Dada am 17. Juni, 15.00-19.00 Uhr zu diesem Thema und Neugierige anzubieten – hoffentlich in Präsenz. Denn uns scheint, dass viele Menschen gerade jetzt – in einer Zeit geprägt von vielen Anspannungen – von mehr Wissen und Verständnis und vor allem Praktiken und Übungen zum Vagusnerv sehr profitieren können.
Sie möchten Näheres zu diesem Workshop erfahren? Dann schreiben Sie uns eine kurze Nachricht.
Und lesen Sie nun Folas Beitrag und Geschichte:
Persönliches vorweg
Fola Dada ist u.a. Sängerin, Jazzmusikerin, Gesangslehrerin und Hochschuldozentin, Komponistin und Liedtexterin. In Stuttgart hat sie vor ca. 20 Jahren das Stimmwerk gegründet.
Ein körperliches Stopp-Signal
Geplagt von heftigen Kopfschmerzen mit vielfältigen Symptomen, die nicht recht einzuordnen waren, habe ich mich auf die Suche nach Lösung begeben. Es war offensichtlich, dass mein vegetatives Nervensystem an den Schmerzen beteiligt war. Mein Leben als Musikerin, Sängerin und Gesangsdozentin war schnell und voll und Ruhepausen selten.
Eine weitere Störung kam in den letzten Jahren noch hinzu: Ich konnte beim Singen auf der Bühne schlecht schlucken und hatte das Gefühl zu ertrinken. Für eine singende aber auch sprechende Person tatsächlich fatal! Die Freiheit der Gestaltung, der Kreativität war auf einmal eingeschränkt bis ganz dahin.
Lösungsversuche und Netzwerk-Impulse
Ich ahnte, dass es an meinem Pensum liegen musste und die wenigen, kurzen Erholungspausen dazwischen nicht mehr ausreichten, um bis in die Tiefe hinein zu regenerieren. Diverse Osteopathen, Massagetherapeuten, Yoga, Anwendungen, wie die Cranio-Sacral-Therapie etc. schenkten mir Entspannung, aber leider hielt diese nicht lange genug an.
Dank dieser inspirierenden Menschen stieß ich allerdings auf den Vagusnerv. Er ist der 10. Hirnnerv und wandert durch unseren Körper, um fast alle Organe zu innervieren, Funktionen zu beeinflussen, den Stoffwechsel zu steuern. Er empfängt aus dem Körper Informationen und sendet auch zurück. Er gehört zum autonomen Nervensystem, das auch vegetatives Nervensystem heißt. Und er bildet nach Stephen Porges mit 4 weiteren Hirnnerven das Soziale Engagement System, kurz SES, das uns Menschen einen Zustand der sozialen Zugewandtheit bescheren kann.
Der Vagus-Nerv und die Polyvagaltheorie
Porges hat erforscht, dass der Vagus einen vorderen und einen hinteren Nervenstrang besitzt, die jeweils unterschiedliche Wirkung auf den Körper haben. Sehr vereinfacht erklärt: der vordere Strang sorgt mit Hilfe anderer Hirnnerven für Wohlbefinden, Kontakt und Kommunikations-Fähigkeit, die inneren Organe Herz und Lunge, sowie Kehlkopf, Rachen und Gesichtsmuskeln werden von ihm versorgt.
Der hintere Ast innerviert ebenfalls Herz und Lunge, aber auch die Organe unterhalb des Zwerchfells (Magen, Leber, Pankreas, Milz, Dickdarm, Dünndarm). Er ist für eine Reaktion zuständig, die man mit Rückzug, Kapitulation, Kollabieren bezeichnen könnte, wenn Angst oder Stress im Spiel sind. Man denke an eine Maus, die sich totstellt im Maul einer Katze. Wenn der hintere Ast dauerhaft aktiv ist, können wir unsere Lebensfreude, Motivation und Klarheit verlieren und sogar depressive Zustände entwickeln.
Dann gibt es noch den sympathischen Grenzstrang, der entlang der Wirbelsäule verläuft. Er ist für die bekannte Flucht- und Kampf-Reaktion zuständig und sorgt dafür, das wir einen hohen Muskeltonus haben und der Körper alle Kräfte mobilisiert, um sich entweder durch Flucht in Sicherheit zu bringen oder durch Kampf ums Überleben zu sorgen.
Alle drei Bereiche mit den dazugehörigen Nerven bilden nach Porges und seiner Polyvagal-Theorie also das Soziale-Engagement-System.
Typische Stressreaktionen, Resilienz und der Vagusnerv
In unserer Gesellschaft hat sich das Stress-Level mehr oder weniger verselbstständigt. Wir rennen, wir rennen schneller und dann wissen wir nicht mehr wie wir damit aufhören sollen. Das war zumindest vor der Covid-19-Krise der Zustand der meisten Menschen in der Welt. Durch die abrupte Vollbremsung und die daraus resultierenden Ängste und Sorgen fielen viele Menschen in eine Schockstarre und verloren Zuversicht und Lebensmut.
Na, kommt Ihnen das bekannt vor?
Ganz genau! Beide Zustände haben direkt etwas mit der Polyvagal Theorie zu tun. Und egal wie wir es drehen und wenden, unser Leben hat nun mal einen Einfluss auf unseren gesamten Organismus. Die einen leiden unter Kopfschmerzen, die anderen unter Muskelverspannungen, Nervosität, Zähneknirschen, Brustschmerzen, Asthma, Verdauungsstörungen, Übersäuerung, Allergien, Suchtverhalten, Unfälle, Konzentrationsschwierigkeiten und und und.
Wenn unser SES nicht rund läuft haben wir unter Umständen Probleme auf allen Ebenen.
Mit Übungen in die Selbststeuerung
Hier wird es jetzt, wie ich finde, faszinierend. Denn wir können unser SES gezielt aktivieren, trainieren und stimulieren, in dem wir Körper-, Atem-, Visualisierungsübungen und Mediationen machen. Es braucht dafür nicht viel. Etwas Zeit – oft reichen wenige Minuten –, nicht viel Platz, eigentlich kaum Ausrüstung.
Wir erleben eine wachere Innenwahrnehmung, die wiederum unsere Achtsamkeit uns selbst und unserem Körper gegenüber, aber auch unseren Umgang mit den Einflüssen aus der Umgebung schult.
Wir können die Stimme mit einbeziehen und diese entweder rein zum Tönen verwenden und dabei ein Gespür für den Klang der eigenen Stimme entwickeln – unabhängig davon, ob wir privat sprechen oder öffentlich vor anderen. Oder wir können sie mit Stimmbildungsübungen kombinieren, die dann Sänger/-innen eine Unterstützung in der Klangbildung aber auch bei Nervosität bietet.
Es sind so viele wunderbare Einflüsse darin versteckt, dass die Liste sehr lang werden würde.
Ich möchte nur noch darauf hinweisen, dass die Übungen, ganz individuell wirken. Man könnte sie mit dem ätherischen Lavendelöl vergleichen, welches seine Wirkung nach dem momentanen Bedarf ausrichtet. Beruhigend. Heilfördernd. Stimulierend. Etc.
Mit Hilfe der Bücher von Stephen Porges, Stanley Rosenberg, Navaz Habib, Lars Lienhard, Ulla Schmid-Fetzer, Jonathan und Andi Goldman und den Behandlungen bei Gabi Rometsch, Doro James und vielen mehr habe ich ein Übeprogramm zusammengestellt. Die Übungen habe ich aus Literatur und Praxis gesammelt und teilweise weiterentwickelt. Ich setze sie bei singenden Menschen. wie auch bei allen anderen Menschen ein. Und erfahre eine direkte Veränderung im Wohlbefinden des jeweiligen Gegenübers.
Für mich persönlich stellen die Übungen eine Möglichkeit dar, aufziehende Kopfschmerzen, Unwohlsein, Lustlosigkeit, Verdauungsbeschwerden, aber auch die übermäßige Anspannung ausgelöst von zu hohen inneren Ansprüchen abzuleiten und dadurch meine Schluckprobleme in den Griff zu bekommen.
Sie sind täglicher Begleiter und lassen sich schnell lernen und direkt, ohne Hilfe einer anderen Person anwenden.
Persönliches
Meine Leidenschaft ist es, meinen Mitmenschen Werkzeuge anzubieten, die ihnen helfen den Alltag mit allen Anforderungen zu meistern. Zu oft befinden wir uns im Außen und lassen uns zu sehr von unserer eigenen Mitte ablenken. Wir verlieren den Kontakt und die Möglichkeit zur Zwiesprache mit dem eigenen Körper und der Seele. Dann wundern wir uns, warum wir den Boden unter den Füßen verlieren, uns verloren fühlen, zwischen Erschöpfung und Unruhe hin- und herpendeln. Dabei oft zu Einzelkämpfern mutieren und keinen Unterschied mehr zwischen Beruf und Privatleben machen. Wir sind latent unglücklich und wissen oft nicht warum oder wollen es nicht wissen.
Was wäre, wenn wir mit einem sanften Programm unsere innere Mitte pflegen können und bewusster, achtsamer, stärker und vor allem authentischer Entscheidungen treffen und unser Leben meistern können und aus der Ruhe, dem Gefühl von gelassener Souveränität heraus und der Liebe zum Leben unser Dasein gestalten können?
Probieren wir es aus!
(Bildernachweis: Mit freundlicher Genehmigung von Fola Dada)